Die Aschaffenburger Friedenstrommler möchten mit gutem Beispiel voran gehen und ihren Anteil für ein friedliches Zusammenleben leisten. Bei gemeinsamen Aktionstreffen planen sie ihre Mahnwachen und Kundgebungen, die auf Konflikte aufmerksam machen sollen.
von Lena Bayer
Auf dem Vorplatz des Aschaffenburger Einkaufszentrums „City Galerie“ haben sich drei Dutzend Mütter und Kinder versammelt. Einige haben sich Flaggen der Ukraine um die Schultern gelegt, andere halten kleine Fähnchen in der Hand. Sie sind gekommen, um den Friedenstrommler:innen zu lauschen. Diese versammeln sich hier seit Februar 2022, dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Anfangs wöchentlich, später zumindest einmal im Monat. Einer von ihnen ist Rudolf, ein Mann mit weißem Rauschebart. Um ihn herum brennen Laternen, selbstbemalte Plakate und ein großes Transparent mit dem Aufdruck „Aschaffenburger Friedenstrommler“ zieren den Weg.
Die Gruppe aus Aschaffenburg trommelt für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und stellt sich gegen Krieg, Hunger, Flucht. Statt sich „im stillen Kämmerlein über Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten zu ärgern“ möchten sie bei Demos und Kundgebungen ihre Meinung auf demokratische und kreative Weise friedlich und aktiv äußern. Über 150 Mitglieder:innen folgen dem Gedanken, acht von ihnen setzen sich regelmäßig ein, sieben weitere zumindest öfter. Mit Protesten gegen Atomkraft fing vor fast 13 Jahren ihr Schaffen an. In diesen Tagen geht es ihnen vor allem um die Menschen in der Ukraine und die, die nach Deutschland geflüchtet sind. Thematisch ein anderes Feld, doch der „furchtbare“ Krieg nehme sie eben stark mit, gerade weil er in unmittelbarer Nähe herrscht.
Frieden als „Prozess“ und „Geisteshaltung“
Neben Rudolf ist auch Jella an diesem Abend dabei. Sie bereiten eine Mahnwache vor. Für den „unnötigen“ Krieg findet sie keine Worte. Später am Abend fragt Jella im Geiste des verstorbenen Beatles John Lennon: „Stellt euch vor, es gäbe nichts, wofür es Kriege geben müsste.“ Für Trommlerin Monika ist Frieden ein „Prozess“, eine „Geisteshaltung“. Sie zitiert Laotse (chinesischer Philosoph, 6 Jh. v. Chr.): „Damit im Haus Frieden herrscht, muss man ihn im eigenen Herzen finden“. Im Einklang mit den Mitmenschen, der Natur, den Tieren sein, sei ihnen ebenso ein Anliegen.
Kritik bekam die Gruppe ausgerechnet für ihre Methode des Trommelns: „Da gab es natürlich Musiker und sensible Leute, die gesagt haben, dass wir schon einen anderen Rhythmus üben oder mal den Rhythmus wechseln könnten.“ Doch ihnen geht es nicht ums „kunstvolle“ Trommeln: „Uns war von Anfang an klar, für uns ist die Methode des Trommelns einfach Aufmerksamkeit.“
Kämpfe gegen Windmühlen, Verwechslung mit Querdenkern
Wenige Tage später findet in einem Aschaffenburger Restaurant das monatliche Treffen der Friedenstrommler:innen statt. Diesmal ist auch Karl-Ernst dabei. Der pensionierte Lehrer ist der Kopf der Gruppe. Er organisiert die Kundgebungen, kümmert sich um die Pressearbeit, bereitet die Treffen vor. „Es ist schon zum Großteil deine Arbeit“, loben ihn die anderen. Wenn kein anderer kann, vertritt der 76-Jährige auch mal die ganze Gruppe. Doch Karl-Ernst beteuert: „Ich allein könnte gar nichts machen, wenn es die Gruppe nicht gäbe.“
Für jeden Einzelnen sind die anderen mehr als Gleichgesinnte, sie haben in ihnen Freund:innen gefunden. „Wir stärken uns gegenseitig positiv“, sagt der Pensionär. Bei der Endlosschleife an Konflikten ist das auch nötig. „Ich denke, Konflikte und Auseinandersetzungen zu haben, gehört zum Menschsein dazu“, meint Monika. „Für mich ist die entscheidende Frage: Wie gehe ich damit um? Suche ich den Austausch oder bekämpfe ich mich?“ Trotz ihres Engagements fühlen sich auch die Friedenstrommler:innen um Karl-Ernst manchmal hilflos: „Ja, es sind Kämpfe gegen Windmühlen.“ Doch: „Genau aus diesem Grund habe ich mit meinen Leuten damals die „Mutmacherseite“ gemacht.“ Eine Liste auf ihrer Homepage soll die Erfolge diverser Friedensbewegungen aufzeigen.
Karl-Ernst kramt in seiner Mappe und deutet lachend auf das Bild einer vergangenen Anti-AKW-Demo: „Was denkst du, wer das ist?“ Dann zückt er noch einen Text hervor: „Stellungnahme der Aschaffenburger Friedenstrommler zur Lage in Deutschland.” Es geht um Corona. Sie sahen sich in der Pflicht ihre Sichtweise klarzustellen, nachdem sie mit Querdenkern in Verbindung gebracht wurden. In einem Flyer von diesen wurde fälschlicherweise ihr Name genannt. „Naja und dann sind wir auch gefragt worden, ob wir bei denen mittrommeln, das war ein bisschen irritierend“, erzählt eine der anderen. Mittlerweile wüssten die Leute, dass sie das nicht sind.
„Zeigt Flagge, wo immer es geht“
Zurück zur Mahnwache. Auf Trommeln verzichten die Freund:innen hier bewusst und schlagen stattdessen auf eine große, goldene Schale. Dies sei Aufforderung genug zum „Nachdenken, Ruhen, Innehalten“. Immer wieder erklingen drei Gongschläge im Wechsel mit Musik aus den Boxen, Rudolfs Saxofon-Soli und kurzen Ansprachen. Die Stimmung an dem Abend wirkt einnehmend, familiär und friedlich. Viele Passanten nehmen das höchstens nebenbei wahr, die meisten laufen weiter, nur wenige bleiben wenigstens einen Moment stehen. Einmal stört eine Gruppe Jugendlicher die Mahnwache mit „Buh-“ und Putin-Rufen.
Doch auch die Friedenstrommler:innen machen sich keine Illusionen: „Das Paradies auf Erden wird es nicht geben, das wissen wir.“ Dennoch wünschen sie sich für die Zukunft bei vielen Veranstaltungen „etwas bewirken zu können“ und möchten „immer mehr Leute ermuntern, gewaltlose, kreative, öffentliche Aktionen zu veranstalten“. „Fridays For Future“ sei da ein Beispiel, dort haben die Pensionäre und Rentner auch schon unterstützt. Jeder Einzelne kann laut Karl-Ernst seinen Beitrag leisten, „sich naturfreundlich verhalten, naturfreundliche Dinge kaufen, erst einmal weniger kaufen, ökologisch Leben“ und „Nicht der Herde, dem Mainstream nachlaufen, sondern individuell leben.“
Nach einer Stunde endet die Mahnwache an diesem Abend. Eine Schweigeminute soll an die Sinnlosigkeit des Krieges erinnern, bevor ein paar der Frauen mit ihren Kindern ein ukrainisches Lied anstimmen. Trotz der drei Grad füllt eine gewisse Wärme den Vorplatz der „City Galerie“. Eine letzte Sache möchten die Aschaffenburger Friedenstrommler den Menschen noch mit auf den Nachhauseweg geben: „Zeigt Flagge, wo immer es geht.“
(Quelle Titelbild: Aschaffenburger Friedenstrommler)
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