Stadt, Bau, Zukunft – wie wohnen wir in Frieden friedlich zusammen?

Kriege und Gewalt sind die Hauptgründe für Menschen, ihre Heimat hinter sich zu lassen. Immer dabei: Die Angst um das eigene Leben. Seit 1823 bricht durchschnittlich rund alle zwei Jahre ein zwischenstaatlicher Krieg aus, der Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingt. Umso wichtiger ist es daher, den Frieden in der Gesellschaft zu wahren. Ist es also nur eine Frage der Zeit, bis auch wir unser Zuhause verlassen müssen?

von Angelos Demirtsoglou

Wohnen in Kriegstrümmern – Hauptsache Dach überm Kopf?

Am 8. Mai 1945 gab Nazi-Deutschland seine Kapitulation bekannt und der Zweite Weltkrieg fand nach sechs grausamen Jahren offiziell sein Ende. Doch das Elend war damit nicht vorüber. Die Innenstädte glichen einem Trümmerhaufen, übrig gebliebene Fabriken und Kasernen wurden als Wohnraum genutzt und der Handel auf dem Schwarzmarkt blühte nun richtig auf. Hinzu kamen die nach Kriegsende vertriebenen Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten zurück, um sich ein neues Leben in ihrer alten Heimat aufzubauen.

Nach Kriegsende galt bereits ein eigenes Zimmer mit funktionierendem Strom und Wasseranschluss als Luxus. Nur wenige Menschen hatten das Glück bei einem Familienmitglied unterzukommen und sich selbst zu versorgen, während der Rest in notdürftigen Baracken unterkommen musste. Inzwischen herrscht 77 Jahre nach dem Weltkrieg Frieden in der Bundesrepublik. Dennoch bleibt das Thema Wohnen eine wichtige Aufgabenstellung in der Gesellschaft und der Mensch verspürt weiterhin das Bedürfnis, sesshaft zu werden und ein Haus sein Eigenheim zu nennen. 

Wohnen als Grundbedürfnis

Mit knapp 84 Millionen Bundesbürger:innen nimmt der Bevölkerungszuwachs in der Bundesrepublik Fahrt auf. Grund dafür ist die laut Statistischem Bundesamt seit 2014 andauernde Flüchtlingsmigration, die in einer Messung bis Juni 2022 einen Anstieg von rund 3 Millionen Menschen erfasst hat. Doch die Wohnsituation ist angespannt. Bundesweit fehlen laut einer aktuellen Studie aus dem Jahr 2023 rund 700.000 Wohnungen, um den Wunsch nach den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. 

Der prägnante Unterschied zu damals beläuft sich jedoch nicht auf die Menge des Wohnraums, sondern auf die Art und Weise, wie wir unseren Wohnraum nutzen. Denn das klassische Bild einer Mutter-Vater-Kind-Familie wird in Zukunft durch Individualität und Flexibilität ersetzt werden. Für die Wohnsituation bedeutet dies, dass es vermehrt zu Ein- bis Zwei-Personen-Haushalten kommen wird. Der Wunsch nach ausreichendem Mietplatz bleibt jedoch identisch. Da sich aber Singles oder zusammenlebende Paare aufgrund der steigenden Mietpreise keine Neubauwohnungen leisten können, ist die Wohnsituation mit den Zielen der heranwachsenden Generationen in der Bundesrepublik knapper als jemals zuvor. Somit steigt zwar die Anzahl an Haushalten, aber die Wohnungen selbst werden nicht größer, was die Menschen in naher Zukunft zum Umdenken anregen muss. Vor allem in Ballungsgebieten herrscht schlichtweg Platzmangel, weswegen sich immer mehr Menschen für ein Leben außerhalb der Städte entscheiden.

Trends der Zukunft: Ist „The Line“ die Lösung für das urbane Problem?

Es wird lauter, schneller und vor allem teurer – Die Städte wachsen, der bezahlbare Wohnraum wird immer knapper. Architekten und Städteplaner dieser Erde müssen sich neue Methoden einfallen lassen, um die rund acht Milliarden Menschen mit genügend Wohnkapazitäten zu versorgen. Das wohl beste Beispiel für innovativen Städtebau ist die aktuell in Saudi-Arabien gebaute Stadt „The Line.“ 

Doch was ist „The Line“ überhaupt? Eine 200 Meter breite, 500 Meter Höhe und 170 Kilometer lange Mauer, ausgestattet mit einer Spiegelfassade, die sich über mehrere Länder hinweg durchzieht. Diese Stadt soll völlig autark funktionieren und dabei gleichzeitig über mehrere Etagen hinweg Platz für mehrere Millionen Menschen bieten. Initiator dieses gigantischen Projekts ist der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman. Sein Ziel ist es, eine ökologische Lösung für das urbane Problem herzustellen, indem er vollständig auf Autos, Straßen und vor allem Emissionen verzichten möchte. Die unterschiedlichen Etagen sollen dabei mit hochmodernen und autonomen Verkehrsmitteln ausgestattet werden, damit keine Fahrt länger als 20 Minuten dauert. Des Weiteren sollen Gebäude so aufeinander gebaut werden, dass man sich in weniger als fünf Minuten mühelos zwischen Schulen, Wohnungen oder Arbeitsplätzen  hin und her bewegen kann. Apropos Arbeitsplätze: Bis 2030 sollen rund 380.000 Arbeitsplätze geschaffen werden und stolze 40 Milliarden Euro zum Bruttoinlandsprodukt beitragen.

Foto: Peerapon Chantharainthron/ unsplash

The Line – Utopie oder Realität?

Doch wie realistisch ist nun die Stadt der Zukunft? Laut Aussage des Kronprinzen könnte die Zukunft schon sehr bald Realität werden, denn die Stadt soll bereits bis 2030 fertiggestellt sein und gut eine Millionen Menschen beherbergen. Über den finanziellen Aspekt der Umsetzung muss man sich vermutlich weniger Gedanken machen, jedoch spielt die soziologische Sicht eine viel wichtigere Rolle, denn noch nie zuvor lebten Menschen aus verschiedenen Kulturen und Ländern auf so einem engen Raum zusammen. Zudem ist ein eigenes Rechtssystem geplant, in dem sich beispielsweise Frauen unverschleiert bewegen können.

So schön das Projekt klingen mag, die Kritik an diesem Vorhaben ließ nicht lange auf sich warten. Denn Saudi-Arabien steht mit seinem Vorhaben wegen Verletzung von Menschenrechten in der Kritik. Der Grund dafür soll die gewaltsame Vertreibung von Menschen aus der Bauregion gewesen sein. So wurden Bewohner:innen, die gegen die Zwangsräumung protestierten, inhaftiert oder sogar zu Tode verurteilt. Außerdem sollen sich über viele Jahre hinweg die Pläne für das Megaprojekt immer wieder verändert haben, was von Kritiker:innen als unklares Zeichen für die Fertigstellung des Projekts  gewertet wird.

Innovative Wohnideen sind gefragt

Technisch gesehen ist „The Line“ durchaus realistisch und auch das angestrebte Ziel, bis 2030 über eine Million Menschen zu beherbergen, lässt einen glauben, dass dieses Projekt umsetzbar ist. Für eine klare Prognose bleiben dennoch zu viele Fragen offen. Welche Menschen sollen dort leben? Wie sollen diese Menschen dort leben? Wer kann mir als Bürger:in vergewissern, dass ich auch hier nicht irgendwann vor einem Krieg fliehen muss? 

Auch in Zukunft werden wir uns mit neuen Wohnideen beschäftigen müssen, denn ein Dach über dem Kopf sorgt für Sicherheit und Vertrauen. Damit diese Grundbedürfnisse auch für die folgenden Generationen zugänglich sind, müssen wir effizientere Möglichkeiten entwickeln, bezahlbare Wohnungen bereitzustellen und uns nicht auf eine Regulierung des Marktes zu verlassen. Klar ist, dass es hierfür keine eindeutige Lösung gibt. Und in Zeiten von Krieg und Inflation scheint eine Lösungsfindung schwieriger denn je. Doch die Geschichte zeigt uns, dass der Mensch durchaus in der Lage ist, neue Wege zu gehen und innovative Lösungen zu finden, um in Frieden leben zu können.

(Quelle Titelbild: Victor/ unsplash)

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